Book Review (German)

Der Energiekörper. Die Aktivierung der feinstofflichen Kraftfelder – Eine Rezension

“Eine Seele kann man nicht wiegen und messen, man kann sie auch nicht sehen. Also kann es sie in einem wissenschaftlichen Sinne nicht geben.” (Skuban 2021: 16). Genau in diesem Zitat liegt der Denkfehler des Autors, auf welchen er seine grundlegende Argumentation stützt. Der Schluss, der korrekterweise aus der ersten Aussage gezogen werden muss, ist nicht, dass es die Seele im wissenschaftlichen Sinne nicht gibt, sondern dass ihre Existenz bisher nicht bewiesen ist. Hätte der Autor sich auch nur mit den Grundlagen des wissenschaftlichen Denkens befasst, wüsste er, dass das Fehlen von Beweisen für etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt kein Beweis gegen etwas ist. Solange nicht ein Beweis für – in diesem Fall die Seele – gefunden wird, muss lediglich die Hypothese gelten, dass diese nicht existiert.

assets.thalia.media/img/artikel/832a1d6a815cd9f2f8d43ea9a4dedb48cb21408a-00-00.jpeg (27.12.2021)

Entscheidend ist jedoch, dass es sich hierbei eben um eine Hypothese und nicht um einen Beweis handelt (cf. Seidel/Krapp 2014: 28). Ich finde es äußerst bedenklich, dass der Autor vermeintlich das Wissen des Yoga mit der modernen Wissenschaft und Forschung verknüpft, jedoch bereits am grundlegenden Verständnis wissenschaftlicher Prinzipien scheitert.
Der Satz, der auf das oben genannte Zitat folgt, lautet “Ein Problem weniger also.” (Skuban 2021: 16) und der folgenden Absatz beginnt mit den Worten “Das moderne wissenschaftliche Denken beseitigt Geist und Seele kurzerhand aus dem Koordinaten-system, weil beide ins Reich des Unwissenschaftlichen gehören.” (Skuban 2021: 16). Dies bestätigt noch einmal, dass laut Autor die Beschäftigung mit der Seele von der Wissenschaft einfach beiseite geschoben werde. Weniger zynisch könnte man jedoch auch einfach akzeptieren, dass bisher kein wissenschaftlicher Beweis für diese gefunden wurde, was ja aber nicht automatisch bedeuten muss, dass nicht weiter daran geforscht wird.

Auf dieses grundsätzliche Missverständnis der Wissenschaft, folgt die häufig wiederholte falsche und unwissenschaftliche Interpretation des Doppelspalt-Experiments (cf. Starkmuth 2018), mit welchem Ralph Skuban darlegen möchte, dass ein Zusammenhang zwischen dem Beobachtenden und dem Beobachteten im Sinne eines Einflusses des Bewusstseins des Beobachtenden auf das Beobachtete besteht (cf. Skuban 2021: 31-32).
“Der Akt des Beobachtens selbst scheint die beobachtete Realität zu verändern.” (Skuban 2021: 32). Dies lässt sich eben nicht aus dem Experiment folgern. Es könnte sein, es könnte aber genauso gut anders sein. Kurz gesagt liegt in dem Experiment also überhaupt kein empirischer Beweis dafür, dass das Bewusstsein des Beobachtenden auf irgendetwas wirkt (cf. Ananthaswamy 2018). Skubans verkürzte und einseitige Darstellung des Experiments lässt es auf den unreflektierten Lesenden allerdings so wirken, als liege genau hierin ein Beweis für die Existenz eines Bewusstseins oder einer Seele. Es ist jedoch schlichtweg eine Hypothese, die natürlich aufgestellt werden kann, aber als eine solche kenntlich gemacht werden muss, wie dies zum Beispiel Jörg Starkmuth in seinem Artikel tut:

Stellt man nun die Aussage in den Raum, dass im Moment der „Beobachtung“ die Quantenwelle „zusammenbricht“ und sich als Teilchen präsentiert, kann ein Zuhörer schnell zu dem Schluss gelangen, es sei der bewusste Geist, der aus der Wahrscheinlichkeit eine Wirklichkeit macht. Tatsächlich tendierten auch einige der frühen Quantenphysiker zu dieser Vermutung.
Wie schon bemerkt, vertrete ich selbst diese These und agiere daher hier als Advocatus Diaboli im Interesse einer sauberen Argumentation. Denn wir müssen uns klar machen, dass die Schlussfolgerung an dieser Stelle schlicht verfrüht ist (Starkmuth 2018).

Dies ist eine viel differenziertere und eben auch wissenschaftlichere Darlegung als Ralph Skubans.

Des Weiteren erklärt Skuban, dass es “[ü]ber den in der Quantenphysik angedeuteten Zusammenhang von Bewusstsein und Kraft […] im Denken der Yoga-Philosophie noch nie einen Zweifel” gab (Skuban 2021: 33). Diese Aussage mag in ihrem Bezug zur Yoga-Philosophie zutreffen, jedoch deutet die Quantenphysik, wie bereits erklärt auf nichts hin. Die alleinige Möglichkeit einer Existenz einer Seele oder eines Bewusstseins stellt noch keinen Beweis dar und genauso wenig können Wahrscheinlichkeiten über die Existenz auf Grundlage des Doppelspalt-Experiments aufgestellt werden.

Skuban schlussfolgert jedoch: “Materie ist Energie und auch Bewusstsein ist Energie.” (Skuban 2021: 33). Nein, es gibt keinen Beweis dafür, dass Bewusstsein Energie ist. Es gibt weder einen Beweis für die Existenz von Bewusstsein im Sinne einer Seele noch ist bewiesen, dass es mit Energie gleichzusetzen wäre.
Doch Ralph Skuban erklärt weiter: “Bewusstsein ist letztendlich alles, und sein Ausdruck ist Energie.” (Skuban 2021: 33) Weil nach Einstein Materie Energie ist, ist das unbewiesene Bewusstsein, das angeblich Energie sein soll, alles? Ralph Skuban verfährt sich hier in immer weiter ausschweifende Hypothesen, die nichts Weiteres als eben Hypothesen sind. Für die Yoga-Philosophie mag all dies zutreffen, aber der Versuch, diese auf der Grundlage von unwissenschaftlichen Methoden mit der Wissenschaft zu verknüpfen, ist schlichtweg absurd. An dieser Stelle ist auf den Unterschied zwischen subjektiven und wissenschaftlichen Theorien hinweisen:

Als subjektive Theorien bezeichnet man das durch persönliche Erfahrung und praktische Belehrung aufgebaute Wissen […]. Dagegen ist eine wissenschaftliche Theorie im Rahmen systematischer Forschung entstanden und enthält Informationen, die von Wissenschaftlern nach professionellen Standards entwickelt und geprüft wurden […] (Seidel/Krapp 2014: 28).

Skuban scheint hier subjektive Theorien zu entwickeln und keine wissenschaftlichen. Für die Formulierung einer wissenschaftlichen Theorie fehlen außerdem konkrete Definitionen der verwendeten Konstrukte wie Seele, Bewusstsein und Energie. Ihre Existenz kann weder bewiesen noch widerlegt werden, wenn nicht im Vorhinein klar definiert wurde, was unter diesen Begriffen genau zu verstehen ist. Dem Vorgehen von Ralph Skuban mangelt es also an allen Ecken und Kanten an Wissenschaftlichkeit.

Bei Skubans “Beweisen” handelt es sich nicht um empirische Beweise, sondern um anekdotische Evidenzen, da er sich lediglich auf individuelle Erfahrungen beruft. Trotz alledem stellt er folgende Behauptung auf: “Der Umstand, dass die Lebensenergie und der Energiekörper im zersplitterten Modell des westlichen Denkens keinen Platz haben, weil man sie eben nicht sehen kann, wenn man einen Körper aufschneidet, ändert nichts an ihrer Existenz.” (Skuban 2021: 43).
Als weiteren vermeintlichen Beweis führt er an, dass“[a]uch unsere Gedanken und Träume […] kein Arzt sehen [kann] – doch wir wissen, dass sie da sind, weil wir sie erfahren” (Skuban 2021: 43). Dies ist jedoch eine vereinfachte Darstellung, da sich zum Beispiel die Traumforschung sehr wohl mit Träumen auseinandersetzt, um ihren Ursprung und ihre Funktionsweisen näher bestimmen zu können (cf. Zimmermann 2020). Es wird also einem beobachteten Phänomen wissenschaftlich auf den Grund gegangen. Es kann genauso mit anderen Erfahrungen des “Bewusstseins” oder der “Seele” verfahren werden. Die Existenz von Träumen ist also kein Argument für die Existenz von Lebensenergie, da ein Traum ein beobachtbares und erfahrbares Phänomen ist, während Lebensenergie hier ein undefiniertes Konstrukt darstellt. Es müsste den Erfahrungen, die Menschen vermeintlich mit Lebensenergie machen, wissenschaftlich auf den Grund gegangen werden, um zu erforschen, was sich hinter den Erfahrungen verbirgt. Es kann nicht einfach behauptet werden, dass es sich dabei um Lebensenergie handelt.

Skuban sagt allerdings:

Die Tatsache, dass Lebensenergie existieren muss, kann man übrigens allein schon daran erkennen, dass wir sie irgendwann mit einem letzten Atemzug buchstäblich aushauchen, um den physischen Körper wie einen abgetragenen Mantel abzulegen (Skuban 2021: 44).

Hier ist zunächst einmal wieder nach einer Definition von Lebensenergie zu fragen. Ohne eine ganz konkrete Definition, was Lebensenergie ist und was sie nicht ist, kann diese Aussage eigentlich gar nicht bewertet werden. Nichtsdestotrotz lässt sich sagen, dass die reine Tatsache des Erlöschens des Bewusstseins nicht automatisch ein Beweis für die Natur dieses Bewusstseins ist. Ob nun Lebensenergie oder irgendwelche anderen (unbekannten) (biologischen) Prozesse dahinter stecken, bleibt zunächst unbekannt und lässt sich durch diese Aussage nicht belegen.

Die grundlegende Problematik von Skubans allgemeinen Ausführungen zu Bewusstsein und Energie ist hiermit eigentlich abgedeckt. Abschließend möchte ich nur noch einmal aufzeigen, dass es seiner “Verknüpfung vom Wissen des Yoga mit moderner Forschung” erschreckend häufig bei wissenschaftlichen Behauptungen an Quellennachweisen fehlt. So werden zum Beispiel für diese Aussagen keine Nachweise angegeben, unter denen diese “Fakten” nachzulesen wäre:

  • “In jeder Körperzelle und in jedem Atom wirkt Energie, die Ausdruck von irgendeiner Art Intelligenz sein muss, die dafür sorgt, dass die Zellen und Atome eben ‘wissen’, was sie zu tun haben (Skuban 2021: 50-51).”
  • “Energiearbeit verbessert die Funktion unseres Immunsystems (Skuban 2021: 51).”
  • “[Energiearbeit] stärkt unsere Vitalität und die Fähigkeit zur Selbstheilung (Skuban 2021: 51).”
  • “Bewusstsein braucht keinen Körper, um sein zu können. Einen Tod, wie wir ihn meinen, kann es als solchen also nicht geben (Skuban 2021: 53).”
  • “Es gibt einen Zusammenhang zwischen Prana und den Ionen, den elektrisch geladenen Molekülen in der Atemluft. Man weiß heute, dass negativ geladene Ionen unseren Organismus positiv beeinflussen und ihm Lebensenergie zuführen. Hohe positive Ladungen dagegen beeinträchtigen unsere Gesundheit. […] Positive Ladungen entstehen vor allem in künstlichen Umgebungen, im Umfeld elektrischer Felder, zum Beispiel durch Computermonitore, durch Umweltverschmutzung, Zigarettenrauch, Küchendünste, Staub und Ruß (Skuban 2021: 66-67).”

Quellen:
Ananthaswamy, A. (2018). “Was verrät die Quantentheorie über die Realität?”, in: Spektrum.de, URL: spektrum.de/news/was-verraet-die-quantentheorie-ueber-die-realitaet/1592854 (27.12.2021).
Seidel, T. & Krapp, A. (Hgg.) (62014). Pädagogische Psychologie. Weinheim/Basel: Beltz Verlag.
Skuban, R. (52021). Der Energiekörper. Die Aktivierung der feinstofflichen Kraftfelder. Grafing: Aquamarin Verlag.
Starkmuth, J. (2018). “Quantenphysik und Bewusstsein – eine Klarstellung”, in: Think Deeper, URL: thinkdeeper.de/2018/05/19/quantenphysik-und-bewusstsein-eine-klarstellung/ (27.12.2021).
Zimmermann, U. (2020). “Interview mit dem Traumforscher Michael Schredl”, in: BR Wissen, URL: br.de/wissen/traum-traumdeutung-albtraum-schlaf-schlafen-100.html (27.12.2021).